Zum Ende der politischen Sommerpause platzt die EU-Rahmenabkommen-Blase. Rechsteiner & Co. verweigern Verhandlungen mit dem Bundesrat. Nun rächen sich die Zugeständnisse und Konzessionen im Rahmen der sogenannten „flankierenden Massnahmen“, mit denen damals die Zustimmung der Gewerkschaften zum Personenfreizügigkeits-Abkommen erkauft wurde. Denn von diesen Einflussmöglichkeiten und Pfründen rücken sie keinen Millimeter mehr ab. Logisch: So wichtig den Arbeitnehmer-Funktionären „die Bilateralen“ gestern noch zu sein schienen, der Eigennutz liegt ihnen heute näher. Das ist entlarvend – und dennoch positiv, denn es eröffnet die Gelegenheit für eine Denkpause.
Zum Beispiel um darüber nachzudenken, ob ein Abkommen mit automatischer Rechtsübernahme tatsächlich so wichtig und wohltuend für unsere Wirtschaft wäre, wie das so selbstverständlich immer wieder behauptet wird.
Eine der grössten Gefahren für die Weiterentwicklung unseres Wirtschaftsstandortes und die Sicherung unseres Wohlstandes besteht meines Erachtens in der fortschreitenden Überregulierung und der Preisgabe von Gestaltungsmöglichkeiten und Handlungsspielräumen. Ausgerechnet „Avenir Suisse“ kam schon vor gut zwei Jahren zum Schluss: Haupttreiber des wuchernden Regulierungsdschungels sei die „unreflektierte Übernahme von internationalen Vorschriften und Bestimmungen“.
Schätzungen ergeben, dass rund die Hälfte der jährlichen Rechtssetzung in der Schweiz durch internationales Recht vorgegeben wird. Wo die einen andächtig von Völkerrecht, gar von Menschenrechten, reden, mit denen diese Diskussion übrigens rein gar nichts zu tun hat, sind skeptische Stimmen, welche die wirtschaftlichen Freiheiten und Handlungsspielräume eingeschränkt sehen, nur leise zu hören. Aber mehr als angebracht. Wo die einen von technischer und juristischer Harmonisierung fabulieren, braucht es Pragmatiker, welche auch einmal die Umsetzungskosten all dieser neuen Vorschriften, Standards, Grenzwerte und Richtlinien, zur Sprache bringen.
Hinter Marktzutritts-Argumenten und dem Abbau technischer Handelshemmnisse werden politische Absichten kaschiert. Wer genauer hinsieht, erkennt, dass es oft nur darum geht, die Interessen und Vorstellungen von Big Playern in der EU – seien es nun Staaten oder Unternehmen - auch kleineren Akteuren und mittelständischen Konkurrenten aufzuzwingen. Den regulatorischen Kartellen geht es mehr um den Schutz eigener Vorteile und Märkte, als um Gerechtigkeit, sozialen Ausgleich oder gar Fairness. International geht es um Macht. Und Regulierung ist eine Form von Machtausübung.
Auch unsere Wirtschaftsverbände müssen sich deshalb die Frage gefallen lassen, ob es Sinn macht, sich derart an die Grossen und Mächtigen zu binden. Wer die EU-Bürokratie und deren praxisfernen Regulierungseifer nur ein bisschen beobachtet, wird vernünftigerweise kaum je auf die Idee kommen, all dies dynamisch, d.h. eifrigst, vorauseilend und unreflektiert übernehmen zu wollen.
Diese verheerende, weil zunehmend einschränkende und strangulierende Dynamik kann nur durch demokratische Selbstbestimmung gestoppt werden. Dieser müssen wir Sorge tragen, denn sie ist Garant für unseren Wohlstand und für freiheitliche, wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Im November werden wir die Gelegenheit dazu haben.