Anfang der 90-er Jahre ist er schleichend aufgetaucht, dieser unsägliche Begriff "Service public". Ursprünglich als "Qualitätsmerkmal" für öffentlich-rechtliche Institutionen wie Radio und TV oder Swisscom- und Postdienste verstanden, mutierte das Unwort rasch zum Inbegriff für jedwelche Forderungen an «den Staat». Das von uns allen mehr oder weniger mitgetragene Gemeinwesen also, das uns jetzt, hier und möglichst sofort, alles das zu bieten hat, was wir vermeintlich nicht im Stande sind, selbständig zu vollbringen.
Der mittlerweile sogar per Volksinitiative geforderte «Service Public» wird so zur unerträglichen Anspruchshaltung für staatliche Dienstleistungen: Bequem muss es sein, egal was es kostet, «der Staat» zahlt’s. Der Staat» hat – bitteschön – dafür zu sorgen, dass dem Bürger ein sorgenfreies und angenehmes Leben beschert werde: angefangen bei der „familienexternen“ Kinderbetreuung, über die (Nach-) Erziehung der Kinder in der Schule, mit allen möglichen Sozial- und Präventions- und Vorsorge- und Sicherheits-Diensten für unsere konsumverwöhnte Freizeitgesellschaft, bis hin zur Sicherung eines „sozialverträglichen“ Existenzminimums für jeden Tunichtgut.
Auch die Wirtschaft wird zunehmend mit "Service public"-Forderungen eingedeckt: garantierte Lehrstellen, gesicherte Mindesteinkommen für alle, Teilzeitstellen, Frühpensionierung, betriebsfinanzierte Kinderbetreuung, Gesundheitsfürsorge, Integration von Migranten im Unternehmen lauten dazu nur einige Stichwörter.
Demnächst werden wir uns als Bürgerinnen und Bürger selbst zum Thema äussern. In Bern wird in diesen Tagen zwar noch darüber gestritten, mit welcher Empfehlung die Volksinitiative „Pro Service Public“ dem Volk vorgelegt werden soll. Die Initiative der Linken verlangt, dass der Bund mit seinen Betrieben im Service public nicht gewinnorientiert wirtschaftet, auf Quersubventionierungen verzichtet und keine steuerlichen Interessen verfolgt. Diese Grundsätze sollen auch für jene Unternehmen gelten, die im Bereich der Grundversorgung einen gesetzlichen Auftrag haben oder vom Bund durch Mehrheitsbeteiligung direkt oder indirekt kontrolliert werden. Gemeint sind damit insbesondere die Post, die Swisscom und die SBB.
Diese Forderungen stehen zwar im Widerspruch zu jeder nachhaltigen, unternehmerischen Betriebsführung. Dennoch findet der Bundesrat das Anliegen unterstützenswert. Und der Ständerat will zwar die Initiative ablehnen, aber dennoch einen neuen Artikel in die Bundesverfassung schreiben. "Bund und Kantone setzen sich für eine ausreichende, allen zugängliche Grundversorgung ein." Tönt sehr gut. Und liest sich ganz leicht. Nur was das alles kosten darf, das steht noch nirgends.
Dabei darf die Schweiz schon heute mit Fug und Recht stolz auf ihren Service Public sein. Bis in die Randregionen. Und in der Verfassung finden wir bereits Artikel 43a. Dort steht, dass Leistungen der Grundversorgung allen Personen in vergleichbarer Weise offen stehen müssen.
Eigentlich erstaunt es nicht, dass speziell die politische Linke dieses Unwort "Service public" trotzdem als Dauerbrenner in ihre Parteiprogramme gemeisselt hat. Wachsende Ansprüche an den Staat bedeuten doch gleichzeitig: immer mehr Staatsbedienstete, immer mehr Gesetze, Verfügungen und Verbote und schliesslich immer mehr staatliche Kontrollen.
Fatal ist nur, dass die Zeche dieser Anspruchshaltung vor allem jene berappen müssen, die auf diesen "Service public" verzichten, weil sie es vorziehen, ihre Aufgaben und Probleme selbst an die Hand zu nehmen und eigenverantwortlich zu lösen – ohne "Service" des Staates.